John Ajvide Lindquist

      So finster die Nacht

      So finster die Nacht ist ein Vampirroman und irgendwie doch keiner. Eigentlich ist es ein gesellschaftskritischer Roman, der die Abgestumpftheit und Brutalität der Trabantenstädte Schwedens in den 80er Jahren beschreibt, in der das Grauen mehr oder weniger schon Alltag ist und man deshalb nur sehr langsam begreift, dass das wahre Grauen gerade erst in die Stadt gezogen ist.

      Zum Inhalt: In Vällingby einem Ortsteil des Stockholmer Vororts Blackeberg wird die Leiche eines Jungen gefunden. Der Mörder hatte ihn kopfüber in einem Waldstück an einen Baum gehängt, die Kehle aufgeschnitten und ausbluten lassen. Die Polizei geht von einem Ritualmörder aus, der zunächst gefasst scheint, als sein zweites Opfer gerade noch so mit dem Leben davon kommt und der Täter sich, bevor er erkannt werden kann, hochkonzentrierte Salzsäure ins Gesicht schüttet.

      Fast zeitgleich lernt der 12-jährige Oskar das reichlich seltsame Mädchen Eli kennen. Sie kann im Dunkeln sehen, ist unheimlich stark und wendig, obgleich ihr Äußeres sehr zerbrechlich wirkt. Zudem sind die Fenster ihrer Wohnung den ganzen Tag verhangen und sie kommt nie vor Sonnenuntergang aus dem Haus. Obwohl Oskar Elis Familie reichlich seltsam findet, freundet er sich mit ihr an.

      Währendessen beobachtet Göska, der stetig betrunkene Katzenpisse-Penner, wie ein kleines Kind einen seiner Saufkumpanen ermordet und alarmiert die Chinarestaurant-Clique, zu denen der verschollene Jocke gehört hat. Jocke's bester Freund Lacke will sich auf die Suche nach Jocke's Mörder machen.

      Mit der Zeit findet auch Oskar Eli's Verhalten immer seltsamer...


      Den Rest schreib ich mal ohne Quote, da es keine reine Inhaltsangabe ist.

      Blackeberg, ein sehr düsteres Szenario, obwohl man auf seine Stadt eigentlich mal reichlich stolz war, da sie extra nur für die Menschen errichtet wurde, die in den 50er Jahren dort hingezogen sind. Arbeiter. Eine Trabantenstadt.
      Mittlerweile sind 30 Jahre vergangen, der Alltag Blackebergs ist durchzogen von Brutalität und Abgestumpftheit. Im Klo der Stadtbücherei werden Kinder mit ausgeschlagenen Zähnen an den nächstbesten zahlenden Kunden vermietet, um alten, schwitzenden Kerlen für 500 einen zu blasen, Schüler werden gedemütigt, verprügelt, die Jugend sitzt in dreckigen Kellerlöchern, schnupft Kleber, mit dem Playboy in der einen und einem geklauten Kassettenrecorder in der anderen Hand, der gerade an einen Kumpel verkauft wurde. Und vor allem wird bei allem brav weggeschaut.

      Blackeberg, ein dreckiges Loch, das erst aus seiner Lethargie erwacht, als in Vällingby die Leiches eines Jungen gefunden wird.

      Und mittendrin, der übergewichtige, kleptomanisch veranlagte Oskar, der sich von seinen Schulkameraden jeden Tag aufs Neue demütigen lässt, einen selbstgebastelten Pinkelball in die Hose steckt, damit niemand - vor allem Mama nicht - mitbekommt, dass er zudem ein Hosenpisser ist. Eine seiner Ängste: Auch noch zum Hosenscheißer zu werden.

      Oskar. Der Held der Story. Nachdem er Eli kennengelernt hat, wächst in ihm das Verlangen, seinen Peinigern mal richtig eins aufs Maul zu geben. Das Messer, das er bisher immer nur in morsche Bäume gerammt hat, in ihre Eingeweide zu jagen und zuzusehen wie diese sich auf dem Boden ergießen.
      Der Boden soll sein Blut trinken

      Oskar. Ein potentieller Serienkiller, der in seinem geheimen Buch gerne Zeitungsausschnitte über Morde, Hinrichtungen etc. sammelt. Der gerne gewusst hätte, ob einem Menschen, der auf dem Stuhl hingerichtet wird, die Haare abfackeln.

      Und dieser Junge, der auf dem schmalen Grat zur Bösartigkeit wandert, soll dem absolut Bösen, das in der Stadt Einzug erhalten hat, das Handwerk legen? Hab ich zumindest damals gedacht. Doch Oskar tritt gar nicht, wie zunächst vermutet gegen das sogenannte Übel an, sondern verbündet sich mit ihm gegen das Übel, das man auch Gesellschaft nennt.

      So ruhet in Frieden

      Nebenbei möchte ich So ruhet in Frieden empfehlen. Ein etwas anderer Zombie-Roman, bei dem die Zombies nicht bösartig sind, sondern die Stadt Stockholm vor ein logistisches Problem stellen, die Angehörigen vor schwerwiegende Entscheidungen stellen und dergleichen mehr. Wohin mit den Wiederlebenden? Wie geht man mit ihnen und den Angehörigen um? Ist es moralisch verwerflich an Wiederlebenden zu experimentieren? Was hat das alles ausgelöst? Gibt es eine Seele?

      Wunderbarer Roman, der leider durch Zombiefans, die von dem Buch etwas anderes erwartet haben, buchstäblich zu Unrecht verrissen wurde.

      Das Ende fand ich allerdings leicht verwirrend und habe jetzt nicht ganz geschnallt, was der Fischer eigentlich genau für ein Ziel verfolgt hat. Also an sich hab ich schon verstanden, dass er auf der Jagd nach den Seelen der Toten war, nur wieso, musste er dazu die Toten erst wieder erwecken? Damit die Verwandten wissen, dass ihre Toten eine Seele haben?